EZB: 10 Basispunkte rauf

Jun 10, 2019 | Artikel

Im Schatten des medialen Dauer-Gewäsch von einem globalen Zinswettlaufs nach unten, hat Mario Draghi bei der letzten Sitzung etwas verkündet, was man offensichtlich nicht so ganz mitbekommen hat.

Draghi hat die Zinsen angehoben!

Jetzt ganz offiziell und eigentlich für jeden verständlich. Aber, wie hier schon weit im Vorfeld dargelegt, ist die Zinsanhebung im Euro-Raum von ganz besonderer Natur und sicherlich nicht mit der einer Federal Reserve zu vergleichen.

Dennoch bleibt der Fakt, ab September 2019 gibt es im Euro-Raum wieder Referenzzinsen, welche über dem unteren Band von -0.4% und über dem Basiswert von 0.0% notieren.

Soweit mal die positive Nachricht. Und weiter reicht sie auch schon nicht mehr. Und ein mehr an Zinsanhebung ist in der ausblendenden Amtszeit von Draghi nicht mehr zu erwarten.

So mutig der Schritt der EZB auch ist, im Euro-Raum wieder Preis für Geld einzuführen, so verschachtelt, verquer-regelt und undurchsichtig ist er auch. Und ich bin mir sicher, dass selbst die betroffenen Banken und Geldumwälzer in tagelangen Sitzungen mit ihren Wirtschaftsprüfern rechnen müssen, was das neue Regelwerk jetzt für sie explizit bedeutet.

 

Die neuen Zinssätze greifen nur im Rahmen des neuen TLTRO - Programms der III. Generation. Wie besprochen, können sich Euro-Banken ab September 2019 über dieses eine Schippe Geld von der EZB ausleihen. Dies mit einer fixen Laufzeit von 2 Jahren, eine vorzeitige Rückzahlung ist nicht zulässig. Der offizielle Zinssatz für dieses TLTRO ist 0,1%. Oder wie Draghi es sagte: Er liegt 10 Basispunkte über dem Hauptrefinanzierungszinssatz.

Entgegen der landläufigen Annahme, ist das TLTRO III kein bodenloser Selbstbedienungsladen. Als Bezugsgröße dient das Kreditvolumen, welches Banken ausgehändigt haben. Und 30% davon dürfen sie sich von der EZB wieder zurückholen.

Soweit wäre das TLTRO III und der neue Zinssatz noch leicht nachzuvollziehen. Jetzt kommen aber die ganzen Wenn und Abers und Sonderfälle, welche selbst auf der Seite der Bundesbank nur rudimentär erklärt werden, bzw. erklärt werden können.

Von den 30% Volumen beziehbar zu 0,1% wird abgezogen, was Banken sich bereits über TLTRO II ausgeliehen und noch nicht zurückbezahlt haben. Weiterhin wird das dann verbleibende beziehbare Volumen aufgeteilt auf 7 einzelne Operationen innerhalb des TLTRO III. Wobei in jedem Ausleihgeschäft maximal 10% der anrechenbare Kredite zur Geltung kommen dürfen.

Und weil das mit den Glorreichen 7 noch nicht genug ist, gibt es dann für jede Bank noch Benchmarkwerte, nach denen der effektive Zinssatz berechnet wird. Dieser kann in der Spitze eben 0,1% betragen, darf aber auch bis -0,3% tendieren.

Wie dieser Benchmark überhaupt aussieht, welche Kredite überhaupt nun als anrechenbar gelten, wie die Staffelung der Zinssätze sich in der Praxis gestaltet - Fragezeichen über Fragezeichen. Selten hat die Welt ein so komplizierteres Bankenstützungsprogramm gesehen, als dieses. Unter "wir tun alles für den Euro" stellt man sich gemeinhin auch etwas anderes vor.

Sollte jemand der Zuhörer im Bankenwesen tätig sein und näheren Einblick in das TLTRO III-Verfahren haben, darf er sich gerne bei mir melden.

 

Im Zuge dieser Verkündung ist natürlich die Analyse, welche Auswirkung auf den EURUSD zu erwarten ist, mehr als unmöglich. Wie Eingangs schon gesagt, ich bin mir sicher, betroffenen Banken geht es genauso. Der Kurs aktuell über der wichtigen 1.12. Damit grundsätzlich als Long eingestuft. Die nächste Hürde für den Euro wartet bei 1.1375.

 

Das Gold verblieb während der Zinssitzung eher ruhig und abwartend. Am Freitag dann der Versuch, aus dem beschriebenen Dreieck zu brechen - natürlich ohne Erfolg. Wochenstart mit Eröffnungsgap bei 1339 nach unten. Kurs aktuell 1327.

Der SP500 durch Trump und Powell aus dem Bärenmarkt herausgequatscht. Aktuell wieder bei 2882 - kurz unter altem Hoch. Der "Markt" erwartet eine kommende US-Zinssenkung bei der nächsten Sitzung mit ca. 30% Wahrscheinlichkeit. Sollte sie ausbleiben, so liegt die angenommene Wahrscheinlichkeit bei nahezu 100% bei der darauffolgenden Sitzung.

Was die achso schlauen Marktteilnehmer nicht bedenken, die FED wird die Zinsen nur senken, wenn der Markt nicht mehr glaubt, dass sie es tun könnte. Und aktuell muss sie die Zinsen nicht senken, denn der Glaube ist riesengroß.

 

Es läuft somit alles auf den Herbst 2019 hinaus. Wie schon dunkel befürchtet, haben sich die steuernden Eliten eine erholsame Sommerpause herbeigeführt. Mehr wird als Fazit im Geschichtsbuch der Episoden vom Zirkus der letzten 2 Wochen nicht übrig bleiben.

 

Bundesbank über TLTRO III

EZB über aktuellen Beschluss

 

 


 

 

 

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